Dr. Artur Dirmeier - Das St. Katharinenspital in Regensburg. Zur Geschichte einer der ältesten Spitalanlagen
Um das Jahr 1213 und damit ziemlich genau vor 800 Jahren erwarb der Regensburger Bischof Konrad IV. zusammen mit den Bürgern ein Grundstück am nördlichen Ende der Steinernen Brücke, um dort ein
neues Spital zu errichten – ein Krankenhaus für die Armen.
Der Standort versprach bessere Luft sowie frisches Wasser und überhaupt mehr Bequemlichkeiten. Die über den denkwürdigen Vorgang erhaltene Urkunde beleuchtet auch die damaligen
Herrschaftsverhältnisse in Regensburg. Bischof Konrad IV. hatte soeben den bayerischen Herzog Ludwig den Kelheimer aus der Stadtherrschaft verdrängt und kooperierte in Sachen Spitalprojekt mit
der Regensburger Bürgerschaft, die das Brückenvermögen und damit auch das benötigte Grundstück verwaltete. Gleichzeitig sollte die Bürgerschaft für die weitere Finanzierung des Spitals gewonnen
und deshalb in die Verwaltung des Projekts eingebunden werden.
Im Grunde genommen aber handelte es sich bei dem Bau um keine Neugründung, sondern um eine Verlegung des bisher bestehenden Domspitals St. Johannes an das Nordufer der Donau. (...)
Mit dem Bau des St. Katharinenspitals hatte in Regensburg ein Wandel in der Versorgung der Armen und Kranken eingesetzt – eine Entwicklung, die von den alten Kloster- und Stiftsspitälern zu den
neuen Bürgerspitälern führte. So entstand hier eines der ersten Bürgerspitäler im Heiligen Römischen Reich. (...)
Das bischöflich-bürgerliche Spitalprojekt war noch mitten im Aufbau, als sich die politischen Rahmenbedingungen im Reich und in Folge davon auch in Regensburg grundlegend veränderten. Die
bischöfliche Stadtherrschaft brach zusammen und die nördliche Vorstadt mit dem Katharinenspital rückte ins Zentrum der Auseinandersetzungen. Vergeblich versuchte der neue Bischof (...) die Macht
in der Stadt nochmals an sich zu reißen. Die Bürger konnten zwar in der Stadt ihre Ansprüche weitgehend durchsetzen, verloren jedoch die Vorstadt am Hof, das spätere Stadtamhof, an den
bayerischen Herzog. Die Rechte am Spital kamen de facto an die Reichsstadt, blieben aber de jure zwischen Reichsstadt und Bayern strittig. Die Zustiftungen an das Katharinenspital flossen seit
dem 14. Jahrhundert nicht mehr so reichlich, denn die Regensburger Bürger unterstützen bevorzugt Spitäler und Stiftungen unter rein bürgerlicher Aufsicht.
Das lange 19. Jahrhundert
Mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 wurde der letzte Kurfürst von Mainz und Erzkanzler des Reichs, Carl Theodor von Dalberg, nach Regensburg versetzt. Letztlich ungeklärt
blieb die Landeshoheit über das Katharinenspital, die nach wie vor zwischen Bayern und der Reichsstadt strittig war. Bereits 1806 hob Dalberg die bisherige Verwaltung des St. Katharinenspitals
auf und unterstellte die Stiftung dem Weihbischof und Domdekan Johann Nepomuk von Wolf, der fortan als Direktor des St. Katharinenspitals fungierte. Gleichzeitig ernannte er den Domprediger und
Pfarrer Wolfgang Sperl zum Administrator, der fortan die Aufgaben eines Spitalmeisters und –pfarrers ausübte. Der weltliche Spitalmeister und einige Spitalbeamte wurden pensioniert. Mit diesem
Schritt setzte Dalberg die fundationsmäßige Verwaltung des Spitals und damit die knapp 600 Jahre währende Mitbestimmung der Bürgerschaft außer Kraft.
Nach dem Übergang des Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern im Jahr 1810 beanspruchte der Magistrat seine alten Rechte im St. Katharinenspital. Fünf Jahre lang rang er mit dem
Domkapitel um die Verwaltung des Spitalvermögens, bis schließlich am 21. Juli 1823 das ursprüngliche Verwaltungsgremium aus vier Kanonikern und vier weltlichen Mitgliedern restituiert und die
Oberaufsicht der Regierung des Regenkreises (später Oberpfalz) bestätigt wurden. Der Vorsitz im Spitalrat sollte demjenigen Mitglied übertragen werden, „welchem der Vorzug auch nach anderen
persönlichen Verhältnissen gebühre.“ Damit fiel die Vorstandsfunktion dem jeweiligen Dompropst zu. Die täglichen Verwaltungsgeschäfte sollten entsprechend dem Vorbild kommunaler Einrichtungen
durch einen Ökonomen ausgeübt werden, also durch einen in wirtschaftlichen Dingen kundigen Fachmann.
Der Meister, seine Brüder und Schwestern
(...) Die Spitalbruderschaft von Regensburg nahm die Augustiner-Regel an und wählte aus ihrer Mitte einen Meister. Die Statuten Bischof Siegfrieds aus der Zeit um 1230 nennen zwölf Brüder, sieben
Schwestern, zwei Priester und zwei Priesterschüler. Demnach übernahmen die Laienbrüder Aufgaben in der Verwaltung des Spitals und auf den Gutshöfen, während die Schwestern vor allem in der Pflege
eingesetzt waren. Im Zuge der Verbürgerlichung des Spitalwesens löste sich die Bruderschaft um 1380 auf, übrig blieb der Schwesternkonvent, der sich bis zur Reformation um die Pflege der Alten
und Kranken kümmerte. Die Spitalschwestern trugen einen weißen Habit und wurden von vier bis fünf Schwesternhelferinnen unterstützt.
Mit dem Übergang zur Reformation löste sich auch der Schwesternkonvent auf und wurde durch weltliche Krankenpflegerinnen, eine evangelische und eine katholische Pflegerin, ersetzt. Von 1860 bis
1980 übernahmen Barmherzige Schwestern vom Orden des hl. Vinzenz von Paul die Pflege der Pfründner im Spital, von 1982 bis 1987 wirkten Schwestern der „Societas Ancillae Caritatis“ und seit
dieser Zeit kümmert sich weltliches Pflegepersonal um die Bewohner des Alten- und Pflegeheims.
In den Jahren zwischen 1539 und 1806 war das Amt des Spitalmeisters konfessionell paritätisch besetzt, nämlich mit einem protestantischen Laien und einem katholischen Geistlichen. Die
Wundversorgung lag ursprünglich in den Händen von Badern und Chirurgen, während studierte Ärzte nur bei Bedarf hinzugezogen wurden. Noch heute zeichnen sich die mittelalterlichen Krankensäle über
die Außenmauern des Spitals ab und bilden eines der ältesten sozialgeschichtlichen Denkmäler in Deutschland.
Arme und Pfründner– Pilger und Gäste
Krankenhäuser im heutigen Sinn gab es im Mittelalter nicht. Die medizinische Versorgung der Oberschicht erfolgte bis ins 19. Jahrhundert in deren häuslicher Umgebung. Die mittellose Unterschicht
hingegen war bei Krankheit auf ein Armenhospital angewiesen wie beispielsweise auf das St. Katharinenspital. (...) Im späteren Mittelalter gingen die Belegzahlen deutlich zurück und lagen im 19.
Jahrhundert bei etwa 150 Personen. Die Aufenthaltsdauer war bis zum Zeitpunkt der Genesung begrenzt. Dadurch lässt sich das ursprüngliche Katharinenspital als eine frühe Form von Krankenhaus
klassifizieren. Dies erklärt auch die ursprünglich hohen Belegquoten, die mit dem allmählichen Wandel zur Pfründneranstalt, heute würde man sagen Alten- und Pflegeheim, rückläufig wurden.
(...)
Dem Spital angegliedert war auch eine Fremdenherberge, das so genannte Gasthaus. Darin sollte der Meister mit seinen Gästen zu Tische sitzen. (...)
1460 kam noch ein Pilgerhaus hinzu, das Andreas Niedermeier, Kaplan am Dom, für 1.200 Gulden stiftete.
Grundherrschaft und Wirtschaftsführung
Der französische Historiker Michel Mollat prägte den Begriff von der Grundherrschaft der Armen und meinte damit den Grundbesitz der Spitäler. Die wirtschaftliche Grundlage bestand meistens aus
einer größeren Initialstiftung, der viele Zustiftungen und Spenden folgten. Bereits 1217 hatte Kaiser Friedrich II. die Besitzungen des Regensburger Spitals an insgesamt 21 Orten in königlichen
Schutz genommen. Mitte des 14. Jahrhunderts bewirtschaftete das Spital 166 ganze Höfe, 110 als predium bezeichnete Güter, 13 Huben, eine Schwaige, Wälder, Fischteiche und zahlreiche Weinberge.
Die Besitzungen waren über die gesamte Oberpfalz und weite Teile Nieder- und Oberbayerns verteilt. Am ertragreichsten war der Getreide- und Weinanbau.
Der überwiegende Teil der Rechte und Güter des Spitals war auf Zins und Gült vergeben. Die landwirtschaftlichen Anwesen wurden alljährlich von einem Bruder visitiert. Vier Gutshöfe – den
Spitalhof am Brückenfuß, Aschach, Amhof und Höhenberg – bewirtschafteten die Brüder selbst, wobei sie von Knechten und Mägden unterstützt wurden. In den von Bischof Siegfried erlassenen Statuten
war den Brüdern eine dreimalige Rechnungslegung pro Jahr vorgeschrieben, die von den Pflegern zu kontrollieren war. Ein Rechnungsexemplar bekamen die Pfleger des Domkapitels und ein Exemplar die
Pfleger des Magistrats.
Wein und Bier, das lob ich mir
Einen „Schlummertrunk“ aus Bier oder Wein sollte den „Spitalern“ bereits zu Zeiten Bischof Siegfrieds vor dem Schlafengehen kredenzt werden: „und tryncken da weyn und pier nach des meisters
willen.“ Die reichen Weinbergbesitzungen wurden zum Teil in Eigenregie bewirtschaftet, zum Teil verpachtet. In guten Jahren produzierte das Spital Wein im Überfluss, so dass große Mengen in den
Verkauf gelangten und den Haushalt des Spitals deutlich aufbesserten. Die Bierproduktion fiel im Mittelalter eher gering aus und diente vor allem dem Eigenbedarf. Vereinzelt sind Lieferungen an
den Herzogshof und an die Reichsstadt überliefert. Erst der im späten Mittelalter einsetzende Klimawandel sorgte für eine allmähliche Veränderung der Trinkgewohnheiten und ließ die Bierproduktion
ansteigen. Aus dem ursprünglichen Zentrum des Bayerweins wurde eine Biergegend. Der Bierabsatz des St. Katharinenspitals erreichte im 18. Jahrhundert neue Rekordhöhen, musste aber auf
Intervention des bayerischen Kurfürsten zum Schutz der Stadtamhofer Brauereien gedrosselt werden. Im 19. Jahrhundert ging die Spitalbrauerei ein weiteres Mal auf Expansionskurs, indem sie mit den
Einnahmen aus der staatlichen Grundentlastung die Brauerei Bischofshof samt Gerätschaften und Fässern zu erwerben suchte. Der Kaufvertrag war bereits unterschrieben und besiegelt, als die
Regierung der Oberpfalz die Genehmigung versagte. Wenige Jahre später kaufte das Spital erste Lagerkeller in Steinweg mit der Option, die Brauerei dorthin zu verlagern.
(...) Auch heute noch kommen die Gewinne der Brauerei ausschließlich für dem Unterhalt des Alten- und Pflegeheims und damit dem Wohl der Bürger von Regensburg zugute.
Übrigens, den seinerzeitigen „Schlummertrunk“ Bischof Siegfrieds für die Heimbewohner gibt es immer noch. (...)
Literatur
Artur Dirmeier: Soziale Einrichtungen, Fürsorge- und Medizinalwesen der Reichsstadt Regensburg, in: Peter Schmid (Hrsg.): Geschichte der Stadt Regensburg, Bd.1., Regensburg 2000, 265-282.
Artur Dirmeier (Hrsg.): Organisierte Barmherzigkeit. Armenpflege und Hospitalwesen in Mittelalter und Früher Neuzeit (=Studien zur Geschichte des Spital-, Wohlfahrts- und Gesundheitswesens,
Bd.1), Regensburg 2010.
Silke Kröger: Armenfürsorge und Wohlfahrtspflege im frühneuzeitlichen Regensburg (=Studien zur Geschichte des Spital-, Wohlfahrts- und Gesundheitswesens, Bd.7), Regensburg 2006.
Andreas Kühne: Essen und Trinken in Süddeutschland. Das Regensburger St. Katharinenspital in der Frühen Neuzeit (=Studien zur Geschichte des Spital-, Wohlfahrts- und Gesundheitswesens, Bd.8),
Regensburg 2006.
Andreas Lechner / Kurt Zeitlhöfler: „…natirlich gleich und gesundter trunkh.“ Die Geschichte der Regensburger Spitalbrauerei von 1695 bis 1945 (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte, Bd.
4), Regensburg 2008.
Rudolf Neumaier: Pfründner. Die Klientel des Regensburger St. Katharinenspitals und ihr Alltag (1649–1809) (=Studien zur Geschichte des Spital-, Wohlfahrts- und Gesundheitswesens, Bd.10),
Regensburg 2011.
Adolfine Treiber: Zur Geschichte des St. Katharinenspitals, in: Heimatverein Stadtamhof (Hrsg.): Zur Geschichte des St. Katharinenspitals, Regensburg 1981, S. 35-42.